Jens merkte gestern in einem Thread zum Thema Ultras an, dass er es schade findet, dass der so untergeht. Was ich persönlich ja anders sehe. Denn da der unter dem Radar der Forums-Idioten läuft – die sich parallel im Thread über die Vorfälle in Berlin austoben - hat man endlich mal eine Chance inhaltlich zu diskutieren. Und das machen leider viel zu wenige Leute. Nicht nur, wenn es um das Thema „Ultra“ geht, aber eben da auch.
Dabei braucht die Fanszene dringend eine Diskussion ohne Scheuklappen. Die aktuelle Krise der Ultra-Bewegung wird nämlich früher oder später eine Krise der ganzen anszene werden. Denn ob man es mag oder nicht, die Kurven der Republik werden halt – mit wenigen Ausnahmen – vom Außenauftritt durch die Ultras bestimmt. Und wenn die Ultra-Szene Husten hustet, bekommt die Kurve irgendwann Grippe. Das mag ein bisschen global klingen, aber man kommt nicht an der Tatsache vorbei, dass de facto alles Öffentlichkeitswirksame durch die Ultras – oder ihr Umfeld - zustande kommt. Das fängt bei Choreographien an und endet bei unsäglichen Vorfällen wie dem Überfall von UF auf das Karlsruher Fanprojekt.
Ich stecke natürlich nicht im Detail drin, aber das Problem der Szenen sind aber meiner Meinung nach weniger die Kerne der Gruppen als vielmehr die Mitläufer am Rande, die außer der Wahl der richtigen Jogginghose auch nicht so richtig viel einbringen wollen, sondern eher Spaß haben. Und denen der Verein aber – natürlich steckt auch hier Klischee drin – egal ist. http://usp.stpaulifans.de/ hat wohl im Moment zum Beispiel massiv Probleme durch den Zulauf von Gangmitgliedern, denen es nur um „Action“ geht. Ähnliche Probleme – in unterschiedlichster Ausführung – haben glaube ich viele Ultra-Gruppen. Man übt eine starke Anziehungskraft aus und zieht so auch Leute an, die mit dem Ur-Gedanken der Ultras sich für seinen Verein aufzuopfern nicht mehr viel zu tun haben. Man könnte sagen, dass sich die Ultra-Bewegung zu Tode siegt. Wobei ich die Ultra-Szenen für stark genug halte mit diesem Problem umzugehen und da sogar gestärkt heraus hervorzugehen. Wenn sich die Gruppen wieder mehr auf darauf konzentrieren, was der wirkliche Kern ist, dann kann das nur gut tun. Soweit ich das von Außen beurteilen kann passiert da in Dortmund schon eine Menge Positives. Ich stecke da wie gesagt eben nicht im Detail drin, aber ich würde es mir zumindest wünschen. Ich vermute mal, dass sich die Szenen stärker aufspalten wird: In einen „erlebnisorientierten“ Teil und einen Teil der sich wieder ums Wesentliche kümmert. Kleiner Einschub am Rande: Wir haben in Dortmund echt Glück gehabt mit unsere Ultra-Szene. Muss man auch mal festhalten, wenn ich so in andere Städte schaue.
Das mich das Thema als Nicht-Ultra überhaupt so befasst ist übrigens dem Umstand geschuldet, dass ich keine Alternative sehe. Sollte die Ultra-Bewegung zerfallen beziehungsweise zur verantwortungslosen Erlebnis-Fraktion degenerieren, wird den Fankurven was fehlen was im Moment niemand auffangen kann. Das ist im Prinzip auch mein Hauptkritikpunkt an dem Rest der Fankurve: Man meckert zwar gerne über die „Schwarzkittel“ - und das auch in vielen Punkten zurecht – aber wenn es darum geht selber Verantwortung zu übernehmen, dann sind die meisten doch wieder weg und überlassen den üblichen Verdächtigen das Feld. "Ich kann es gut" wird immer von "Ich kann es besser" geschlagen, nie von "Du kannst es nicht".
Letztlich sind alle gefordert. Fußball ist zu wichtig, um ihn Leuten zu überlassen, denen es nur um Spaß geht. Die Fanszene muss einen kritischen und solidarischen Dialog mit den organisierten Ultras führen und die Ultra-Gruppen müssen sich diesem Dialog auch stellen. Nicht jeder, der ohne Jogger unterwegs ist, ist gleich eine „Kutte“ und nicht jeder junge Mensch mit Jogger sollte unter Generalverdacht stehen. Der Verein ist wichtiger als alle Differenzen innerhalb der Gruppen. Zwischen Franz Jacobi und seinen Mitstreitern wird auch nicht alles immer schön gewesen sein.
Und der hat ja – ganz ohne Jogger – eine Menge für den Verein geleistet.
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