Mittwoch, 3. November 2010

Wir halten fest und treu zusammen! Manchmal

Der Begriff Pflicht ist leider inzwischen extrem negativ belegt, weil wir und in unserer freiheitsliebenden Gesellschaft sehr gut darin eingerichtet haben, dass man Freiheit so interpretiert, dass man was macht, wenn man Lust hat und wenn man keine Lust hat, dann hat halt Omi Geburtstag. Wir sind alle groß im Rechte einfordern, aber wenn es um Pflichten geht, sind wir schneller weg als Aki Watzke über die Ungerechtigkeit des Abseitstores von Hamburg in der Saison 08/09 reden kann. Kombiniert wird das ganze dann damit, dass wir uns alle in schöner Regelmäßigkeit das Maul über andere Leute zerreißen oder das Fehlverhalten anderer thematisieren statt über unser eigenes nachzudenken. Das ganze hochmodern per Twitter, Facebook oder Blog. Oder möchten wir es doch ganz klassisch im Gespräch über den anderen statt mit ihm? Jeder Lästerbacke kann geholfen werden. Ziel des Angriffs kann alles sein, was eben zum Angriff taugt. Privilegien, Abweichungen vom Konsens der Verlogenheit, sexuelle Orientierung, die falsche Frisur oder das falsche Benehmen. Die falschen Freunde sind auch ein guter Grund. Oder man hat sich eben auf denjenigen geeinigt. Wir werden immer mehr eine Gesellschaft von Alleinkämpfern mit wechselnden Zweckbündnissen. Ich gebe zu, dass ich hier klinge wie ein alter, griesgrämiger dicker Mann. Was daran liegen könnte, dass ich ein alter, griesgrämiger dicker Mann bin.

Eigentlich könnte man ja sagen, dass das halt der Lauf der Dinge ist, Gesellschaften sich verändern und schon immer viel gelästert wurde, aber meiner Meinung gefährdet die aktuelle Entwicklung den Fußball wie wir ihn kennen, die Traditionsvereine und damit natürlich auch in letzter Konsequenz den Ballspielverein. Was jetzt erst mal eine ziemlich weit her geholte Ausaage ist. Aber meine Playstation 3 kommt auch von weit weg und ist gut. Warum sollte ich da nicht mal recht haben? Traditionsvereine können auf Dauer nur funktionieren, wenn sie von einer breiten Masse getragen werden, die eben nicht das Trennende, sondern das Verbindende betont. Wir haben im Kampf gegen die Werkskonzerne und Milliardärshobbys in der Bundesliga keine andere Waffe als unsere Einsatz, unsere Leidenschaft und unsere bedingungslose Liebe zum Verein. So lange wie es Menschen gibt, die z.B. wie im Falle Union Berlins ihre Freizeit opfern um ein Stadion zu bauen, Menschen, die ihre Freizeit opfern um in den Fanabteilungen aktiv zu sein, Menschen, die ihre Freizeit opfern um Choreographien zu basteln, so lange haben wir eine Chance das Mehr an seelenlosem Geld der Plastikvereine auszugleichen. Wenn wir das verlieren, verlieren wir auch den Kampf um den Fußball. Und zwar endgültig. Aber dazu gehört eben auch das solidarische Miteinander.

Ich bin, wenn es um den BVB geht unendlich pathetisch. Ich halte diesen Verein für das Größte was es gibt auf dem Planeten und ich möchte, dass er für mich und alle anderen Borussen eine emotionale, warme Heimat in dieser kalten, herzlosen Welt ist, die uns eine Fluchmöglichkeit bietet, der Welt in der es nur um den eigenen Vorteil geht zu entkommen. Auch hier gebe ich zu, dass das unfassbar kitschig klingt, aber warum hängen wir denn sonst so an dem Club? Guten Fußball kann ich auch im Fernsehen bei Barcelona sehen. Was diesen Club so besonders macht ist die riesige Anzahl von Leuten, die unabhängig von der Leistung zu ihm steht. Und das gilt es zu erhalten. Dabei muss der eigene Egoismus mal zurückstehen und Solidarität sollte groß geschrieben werden. Die Aussage „Wir halten fest und treu zusammen“ sollte uns mehr bedeuten als ein bisschen Traditions-Lametta am neumodischen Weihnachtsbaum Bundesliga.

Jeder von uns hat die Chance etwas für diesen Verein zu tun und ihn noch ein Stück besonderer zu machen. Zusammen mit anderen vielleicht etwas zu bewegen, was ein paar Zeilen in der 200-Jahr-Chronik Wert sein wird - und wenn es dafür nicht reicht zumindest dafür zu sorgen, dass es überhaupt eine 200 Jahr-Chronik gibt. Und das geht nur, wenn jeder sein Stück zum Gelingen beiträgt und miteinander arbeitet statt gegeneinander. Unsere Egoismus, Narzissmus und sonstige –ismen können wir auch in unseren Fanclubs ausleben. Da kann man eine neue Gründen, wenn es nicht klappt. Aber wir haben nur einen BVB. Und sollten wir aufhören immer quer zu schießen. Es ist zwar vielleicht schwerer das eigenen Verhalten zu reflektieren, aber dafür deutlich einfacher das eigen Verhalten zu ändern als das von anderen Leuten.

Es mag jetzt erst mal abstrus erscheinen, wenn ein Ego-Monster wie ich über solche Sachen schreibt. Und ich will hier auch gar nicht moralinsaure Reden schwingen, weil ich zum moralischen Vorbild doch nicht recht tauge und doch Ausschweifungen in Lebenslagen bevorzuge. Aber ich versuche wirklich immer, wenn es hart auf hart kommt mein Ego hinter die Sache zu stelle. Ich rede hier ja auch nicht davon, dass wir alle zu Heiligen mutieren und von morgens bis Abend selbstlos durch die Weltgeschichte eiern. Das wäre ja unfassbar langweilig. Aber wenn wir uns alle mal ein wenig an die eigene Nase fassen und uns klar werden, dass es in letzter Konsequenz bei unserer Fanarbeit nicht um uns gehen darf sondern um den Verein, dann ist uns allen geholfen. Und wir können alle was dazu beitragen, dass es den noch möglichst lange gibt.


Wir werden den 19.12.2109 nicht erleben, aber wir können unsere Teil dafür beitragen, dass er gefeiert wird.

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