Freitag, 26. November 2010

Die schmale Grenze

Der Grund, dass es gestern keinen Blog gab, war so einfach wie profan. Mein Laptop hatte seinen Geist aufgegeben. Nun hat mir die Firma zwar einen neuen gekauft, aber sich an einen neuen Rechner zu gewöhnen ist auch so semi. Man muss alles neu installieren, und die Scheißtastatur ist auch anders als sie vorher war. Aber in zwei Wochen rede ich da auch nicht mehr von. Aber ich hatte einen echten Scheißtag. Und das nicht nur wegen des Rechners. Ich bin generell depressiv, komme Abends nicht ins Bett und morgens kaum raus. Irgendwie sind mir meine manischen Phasen lieber. Ich und meine Psyche. Ein ewiges auf und ab. Schön ist das alles nicht. Zumindest nicht entspannt. Wobei ich Mittwoch Abend zu Thema Psyche noch ein unfassbar gutes T-Shirt entdeckt habe. Grandios.

Ansonsten habe ich mir am Mittwoch im SG Forum eine ziemlich ausführliche Diskussion zum Thema Homosexualität gehabt. Auslöser war ein extrem guter Film von schwulen und lesbischen Pixar-Mitarbeitern der sich an schwullesbische Jugendliche wendet. Grund waren drei unabhängig voneinander erfolgte Suizide von schwulen Jugendlichen in den USA, die dem Psychodruck an Schule bzw. Uni nicht mehr standgehalten hatten. Der Film hat, obwohl er nur aus O-Tönen besteht – eine grandiose Dramaturgie und richtet sich an Jugendliche, die mit den Problemem alleine zu sein glauben.

Ich war am Mittwoch eh krank, lag im Bett und hatte Zeit mich in die Diskussion zu vertiefen. Vor allem liegt mir Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten extrem am Herzen. Herterosexuelle Vanillas haben für so Diskussionen oft nur wenig Verständnis und finden das aufgesetzt."Ist doch alles kein Thema mehr" Was allerdings eine Sichtweise ist, die Du nur als jemand haben kannst, der nicht von der sexuellen Norm abweicht. Wenn das bei Dir anders ist, bekommst Du Recht schnell mit, dass Du Dich zwangsweise damit befassen musst, weil unsere liberale Gesellschaft Abweichungen nur als folkloristische Untermalung gelten lässt. Leute deren Sexualität mal als Gegenstand von Hassanfällen oder zur allgemeinen Belustigung diente wissen ein Lied davon zu singen.

Aber völlig vom Thema Sexualität hat mich der Film ziemlich beschäftigt, denn der Umgang mit Teenagern berührt mich doch extrem stark. Es gibt so viele Kids, die jeden Tag Scheiße fressen müssen und die Frage, ob da jemand zum Psychowrack wird bzw. aufgibt oder nicht ist ein extrem schmaler Grad und eigentlich kann man Jugendlichen gar nicht oft genug sagen, dass sie cool sind und nicht aufgeben sollen. Ein Freund von mir ist damit groß geworden, dass sein Vater ihn fast täglich mit einer Holzlatte mit Nägeln drin verprügelt hat. Oder im Winter mit einem Gartenschlauch abgeduscht hat – draußen natürlich. Und noch jede Menge andere kranke Dinge veranstaltet. Ich weiß nicht, wie der die Kurve gekriegt hat, aber aus dem ist ein feiner Kerl geworden. Man solltet nur nie den Versuch machen den zu schlagen. Das endet für denjenigen der es versucht sehr ungesund.

Ich brauche aber gar nicht woanders hinzuschauen, sondern es reicht, wenn ich einen Blick auf meine Geschichte werfe. Dass ich hier diesen Blog noch schreiben kann, verdanke ich wahrscheinlich nur einer einzigen Person. Denn ich war ein ziemliches Problemkind. Wahlweise Arschloch oder Opfer. Ich komme aus etwas, was man wohl gutbürgerliches Elternhaus nennt. Sozusagen Wittener Geldadel. Meine Eltern waren ziemlich reich. So reich, dass wir ein ein 600qm Haus in Witten hatten, ein Schwimmbad darin und jeden Scheiß den man sich nur wünschen kann. Ich hatte zwei Kinderzimmer und in eines diente nur als Lagerraum für nicht mehr benutze Spielsachen. Und das war bis obenhin voll. Das ist so pervers wie es klingt und absolut sinnfrei. Emotional war es bei leider nicht so reich gesät und ich wurde zwischen einem Vater, der jahrelang einen Sohn haben wollte und mich mit seinen Erwartungen erdrückte und Mutter, die mich extrem liebte, aber diese Liebe nicht zeigen konnte aufgerieben. Ich bin in einer Art fleischgewordenen Loriot-Film aufgewachsen. Und das ist weniger lustig als es klingt. Genau genommen war es gar nicht lustig.

Ich fühlte mich extrem ungeliebt und war mir sicher, dass ich nichts wert war. Als Jugendlicher drehte ich dann total frei. Erster Suizidversuch mit 14, zweiter mit 18. Zweimal von zu Haues abgehauen. Bis zum 19. Lebensjahr hatte ich zwei Therapien hinter mir. Meine erste Therapeutin hat mich übrigens dazu überredet meine scharfe Waffe an meinen Vater zu übergeben, die ich mir damals gekauft hatte. Mit 15. Von den ganzem Kleinkram wie Diebstahl und so gar nicht zu reden. Hinzu kam jede Menge hochgradig selbstzerstörerisches und fremdgefährdendes Verhalten über das ich hier besser den Mantel des Schweigens decke. Alles totale Scheiße. Dass ich diese Phase überstanden habe ohne mich oder jemand anderes umzubringen verdanke ich Marion. Marion war einer meiner Lehrerinnen und wahrscheinlich der erste Mensch auf der Welt, der mir das Gefühl gab was wert zu sein. Wir freundeten uns an und sie war der erste Mensch, der mir zuhörte. Mensch Marion, ich sollte Dich dringend noch mal anrufen und Dir Danke sagen. Wenn`s Dich nicht gegeben hätte gäbe es mich so nicht mehr.

Irgendwann habe ich gelernt meinen Hass auf die Welt zu kanalisieren. Das ist ein erster Schritt. Immerhin. Aber weit weg von gut. Es war also kein Wunder, dass ich politisch radikal wurde. Auch da ist es ein Wunder, dass niemand durch mich körperlich ernsthaft zu Schaden kam. Denn auch wenn mein Hass nicht mehr so unkontrolliert war, war er auch nicht weniger stark. Irgendwann landete ich dann als Praktikant beim Fernsehen und es wurde alles anders. Ich habe mir zum ersten mal in meinem Leben den Arsch aufgerissen bis zum gehtnichtmehr und bin heute ein politisch gefestigter Mensch und habe keine ernsthaften Absichten mich umzubringen, auch wenn ich – siehe T-Shirt – immer noch nicht der gefestigteste aller Menschen bin. Aber für meine Verhältnisse bin ich Lichtjahre von dem weg, was früher war. Für mich zum Glück ging es mit meinen Eltern auch finanziell bergab. Das tut mir zwar extrem leid für sie, aber für mich war es besser, dass das verwöhnte Scheißgör mal den Arsch hochkriegen musste.

Es gibt in dem Zusammenhang mit meinen Eltern übrigens eine Geschichte, die mich bis heute sehr amüsiert. Ich war mal mit einer meiner Ex-Freundinnen auf dem Weg zu meinen Eltern, weil sie die kennenlernen wollte. Die halbe Fahrt bestand eigentlich daraus, dass sie mir erzählte, was für ein egoistischer Arsch ich bin, eigentlich der letzte Wichser und ein Psychowrack hoch 10. Nach dem Wochende erzählte mir sie auf der Rückfahrt, dass sie mich absolut dafür bewundert, dass ich es – bei den Eltern - geschafft habe so zu werden wie ich bin. Amüsiert mich bis heute die Geschichte. Nicht missverstehen, ich liebe meine Eltern, habe ihn viele verziehen und bin mit ihnen im Reinen, aber lustig war es halt schon.

Was mir dabei geholfen hat ist aber eben, dass es irgendwann wen gab, der an mich geglaubt hat. Deswegen ist es mir einfach so wichtig, dass man Jugendliche ernst nimmt, wenn sie von der Scheiße der Welt erschlagen werden und ihnen einfach sagt, dass die Welt nicht immer so schwarz ist, wie sie manchmal scheint.Und wenn sie Dir 10.000 mal erzählen, dass Du nichts wert bist: Sie lügen. Aber es ist nicht selbstverständlich, dass man den Bogen bekommt. Ein Freund von mir ist mit 18 an einer Überdosis gestorben. Das Spiel hätte für uns auch andersrum ausgehen können. Aber ich schreibe hier und er liegt auf dem Friedhof. Und jeder von uns kann einer sein, der dafür sorgen kann, dass es für irgendwen gut ausgeht. Und dass ist verdammt viel wert.

Jetzt habe ich gar nicht über Fußball geschrieben!

9 Kommentare:

  1. maria gresz würde evtl nun betroffen gucken aber ok macht die immer......

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  2. Wobei betroffen gucken in dem Kontext gar nicht angesagt ist. Aber wenn sie´s immer macht...

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  3. Es gebührt jedem, der sich aus seiner eigenen Scheiße ziehen kann - Respekt.
    Vor allem müssen Menschen die an Depressionen leiden, dies jeden verdammten Tag tun.
    Den vorletzten Satz sollte sich jeder zu Herzen nehmen.

    Danke.

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  4. wollte damit indikatormäßig andeuten das es evtl gewisse grenzen überschreitet alles zu verbloggen,halt meine meinung,weiß ja das ich offen rede

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  5. Sexuelle Minderheiten...soso!

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  6. Hatte ausführlichen Comment eingestellt. Gelöscht? Verpufft im Netznirvana? Selbst zu blöd zum Einstellen?

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  7. @MAGsein

    Nö, da war nichts. Gerade auch noch mal geschaut. Auch unter "Auf Moderation wartend" ist nicht, was ich noch bearbeiten müsste.

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  8. Dann also doch selbst versiebt. Beim nächsten Mal volle Konzentration (3 Klicks sollten machbar sein ;-)

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