Freitag, 2. April 2010

Denk ich an Bremen bin ich in Berlin

Vor jedem Spiel gegen Bremen muss ich unweigerlich ans Pokalfinale 1989 denken. Und das sind immer schöner Erinnerungen. Um ehrlich zu sein glaube ich sogar die schönste Erinnerung meines Lebens in Bezug auf Fußball. Und weil wir morgen wieder gegen Bremen spielen ist es natürlich wieder sehr präsent. Und da wir heute Karfreitag haben, Sie also eh nichts zu tun haben und sich langweilen mache ich heute mal den Rolf und langweile Sie mit Geschichten von früher.

Wahrscheinlich gibt es zwei Zeichen die unzweideutig darauf hindeuten, dass ich alt werde. Erstens: Ich war bei Ereignissen dabei bei denen viele der heutigen BVB-Fans noch gar nicht geboren waren und zweitens: Ich erzähle gerne darüber. Und um ehrlich zu sein könnte ich über das Spiel gegen Bremen immer und immer wieder reden. Das gerade das Spiel für mich – und ich denke auch alle anderen Leute meiner Generation – so prägend war hängt damit zusammen, dass einem in dem Moment klar wurde, dass der BVB ja auch Titel gewinnen kann. Ein Umstand, der einem vorher fremd war.

Ich gehe ins Stadion seitdem ich sechs Jahre alt bin. Oder besser gesagt: Ich wurde ins Stadion mitgenommen. Zwingen musste man mich da aber nie. Schon als Kind war der Besuch im Westfalenstadion das Highlight meiner Woche. Mein Vater hatte eine Dauerkarte im alte Block E auf der Hauptribüne. Das ist ungefähr da gewesen wo heute die Pressetribüne ist. Wie gut die Übersicht über das ganze Stadion war kann man daran erkennen, dass direkt neben uns die TV Kameras standen, die damals noch auf der „Haupttribüne“ standen. Zu der Zeit saß der Reporter bei den Spielen noch neben der Kamera und machte sich Notizen. Alles sehr improvisiert und aus heuten Gesichtspunkten beinahe schon absurd einfach.

Mein erster großer Erfolg war der Wiederaufstieg gegen Nürnberg an den ich mich allerdings nicht mehr erinnern kann. Trotzdem finde ich es irgendwie schön zu wissen, dass ich dabei war. In der Folge war ich Jahr um Jahr beim BVB und der größte Erfolg war nicht abzusteigen. Ich war es gewohnt, dass der BVB Nichts reißt und quasi die fleischgewordene Mittelmäßigkeit ist. Wenn ich mir überlege was für unfassbar schlimme Zeiten ich erlebt habe. Z.B. das 0:2 zu Hause gegen Karlsruhe bei dem die BVB- Fans in der zweiten Halbzeit des KSC anfeuerten und „Trainer, Vorstand , Tippi raus “ skandierten, um anschließend hinter die Trainerbank zu stürmen. Was das Ende für die angesprochenen bedeutete. Als wir unter Branco Zebec die Qualifikation für den UEFA Cup feierten, war das für mich wie der Gewinn der deutschen Meisterschaft.

Und dann kam 1989. Wir standen in einem Finale und konnten etwas gewinnen. Ich konnte es kaum fassen. Da mein Vater sehr gute Kontakte zur Westfalischen Rundschau hatte, kam ich auch recht stressfrei an eine Karte. Allerdings hätte ich das Spiel fast nicht gesehen. Denn ich war mit einer Freundin vorher im Italienurlaub. Der war an sich schon wirklich schlimm und mit der Freundin habe ich danach nie wieder ein Wort gesprochen. Noch viel schlimmer war aber, dass deren VW Käfer auf dem Rückweg den Geist aufgab und wir uns eine andere Rückreisemöglichkeit suchen mussten. Als erstes fiel die Wahl auf den Zug. Allerdings mussten wir am Bahnhof feststellen, dass die Bahner streikten. Es sah so aus, als würde es nichts werden mit dem Pokalfinale. Ich war damals noch ein deutlich cholerischer als ich es heute bin und habe vor Wut und Verzweifelung dann erst irgendein Schild umgetreten und bin dann auf einen Bahnangestellten los. Dass sie mich nicht eingesperrt haben grenzt an ein Wunder. In meiner Frustration haben mir meine Eltern dann von Deutschland aus einen Flug gebucht, so dass ich rechtzeitig wieder in Deutschland war. Ich sollte ihnen dafür die Tage noch mal danken. Ohne sie hätte ich das Pokalfinale nie gesehen.

An meine Mitfahrgelegenheit kam ich dann über drei Ecken. Wie genau weiß ich nicht mehr. Allerdings kannte ich keinen persönlich. Los ging es an der Pilsbörse in Witten-Annen, aber dummerweise hatten sich der Organisator verrechnet und wir waren nicht 9 Reisende sondern 10. Die passten zwar in den Bus, hätten aber vom Fahrer eigentlich einen Busführerschein erfordert, so dass der Fahrer uns eigentlich nicht mitnehmen wollte. Ein guter Freund desjenigen, der sich als letzter angemeldet hatte, droht mir erst mal an, mir was auf Maul zu hauen. So beginnt doch eine gute Reise. 9 Leute, die ich nicht kenne, 2 die mir was auf die Mappe hauen wollen und ich. Der Fahrer erklärte sich dann aber bereit loszufahren,wenn klar wäre, dass einer an der Grenze raus müsse, wenn es Ärger gebe. Die Mitreisenden waren eigentlich ganz nett, aber leider – wie zu der Zeit irgendwie üblich – alle rechts. Jedes Auto mit polnischem Kennzeichen wurde ausführlich bepöbelt. Das war schon eine bunte Mischung. Auf der einen Seite ich, linksextrem, Antifa-Aktivist und langhaarig und 9 Leute, die sich bei jeder Raststätte darüber beschweren, dass „hier jetzt auch Kanacken arbeiten“ oder „Adolf mein Freund, komm zurück“ zum Besten geben. Allerdings war ich es aus Fußball-Zusammenhängen gewohnt mich mit Rechten zu arrangieren. Man hatte auch gar keine Chance anders.

Der Grenzübertritt auf die Transitstrecke war das erste Highlight der Fahrt. Die Grenze war voller Schwarzgelber und die Passübergabe durch die Grenzer war Comedy wie sie Loriot nicht besser machen könnte. Man muss sich das so vorstellen: Am Anfang der Grenze kommt so ein Typ in einer unfassbar hässlichen Uniform in den Bus und nimmt einem die Ausweise ab. Dann steht man eine Stunde oder so im Stau und langweilt sich zu Tode. Am Ende der Abfertigung kommt wieder so ein Typ in den Bus und die Show beginnt. Der Grenzer schaut in den Ausweis, schaut nach oben zu den Reisenden um dann wieder auf das Dokument zu schauen. Das ganze Spiel geht so vier oder fünf mal bis der Grenzer dann „Herr Schmidt?“ sagt. Worauf Herr Schmidt dann „hier“ antwortet und seinen Ausweis bekommt. Unfassbar komisch.

Das nächste an was ich mich dann bewusst erinnere ist Charlottenburg. Ich habe ja aktuell noch eine Wohnung in Berlin und wenn es sich irgendwie vermeiden lässt meide ich Charlottenburg. Aber damals war der Stadtteil quasi das Zentrum von Berlin. Die BVB Fans trafen sich an der Gedächtniskirche und es waren wirklich unfassbar viele. Zeitgleich mit den BVB –Fans zog die Parade des Berliner CSDs vorbei. Das war wirklich ein abstruses Bild. In der Mitte Schwule und Lesben auf den Wagen und aufgedresst im Zug und drum rum Abertausende BVB-Fans, die den Mund nicht mehr zubekamen. Ende der 80er waren Schwule und Lesben in der Gesellschaft so beliebt und integriert wie Marsmenschen. Das war für die Fans ein Schock. „Ich weiß noch genau, wie einer mein Mitfahrer sagte „Ich hab ja schon viel gesehen, aber so was habe ich noch nicht erlebt“. Wie anders die Zeiten damals waren kann man damals erkennen, dass in unserer Vereinszeitung am ersten Spieltag nach dem Pokalfinale sinngemäß stand „Es zeigte sich, dass die Berliner Schwuchteln keine Ahnung von Fußball haben. Sonst hätten sie ihre Parade verlegt“ Da stand wirklich „Schwuchteln“. Das muss man sich heute mal vorstellen. Klar passen Fußball und Homosexualität leider immer noch nicht so richtig zusammen, aber trotzdem würde keiner offiziell „Schwuchteln“ schreiben.

Das Stadion selbst war fest in schwarz-gelber Hand. Also so richtig fest. Zu den Dingen, die ich ebenfalls nie vergessen werde ist der staunenden Blick eines neutralen Zuschauers, der zu seiner Freundin sagte „Das hätte ich nicht gedacht, dass das so viele sind. Das ist ja wie die Holländer bei der EM“. Es war aber wirklich auch beeindruckend, was wir da aufgefahren hatten. Wer damals dabei war, wird es nie wieder vergessen. Der Rest ist Geschichte. Der 0:1 Rückstand und dann das Tor von Norbert Dickel das dem legendären Jubelbild vorausging Dieser Tag war die Geburtsstunde des „neuen“ BVB, der plötzlich Erfolge feierte und 8 Jahre später in München die Championsleague gewann.

Es wird wieder Zeit nach Europa zu kommen und wieder würde uns ein Sieg gegen Bremen eine Menge bringen. Wobei es auch gut ist zu wissen, dass man nach einer Niederlage nach wie vor im Rennen ist. Trotzdem bin ich heiß wie sau auf das Spiel und hoffe, dass wir sie morgen weg schießen. Wobei ich schon auch ein deutliches Grummeln im Bauch habe. Gegen Bremen halte ich alles für möglich: Einen hohen Sieg, aber auch eine hohe Niederlage. Gebt einfach mal alles Jungs.

Lasst mich nochmal ein wenig wie 1989 fühlen.

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