Wenn man nicht in der Lage ist da mal halbwegs ernsthaft drüber zu diskutieren, sollte man es lieber gleich lassen... Aber wir wissen es ja: Jeder der auch nur im entferntesten irgendetwas gegen Ultras sagt, ist ein Idiot der keine Ahnung hat.
So lautete ein Kommentar gestern auf meinen Blogpost Der Ultra, Schadnager des deutschen Fußballs. Jetzt mal ernsthaft. Was will man auf so eine dummes Posting wie dem bei SG ernsthaft schreiben? Der Autor ist scheinbar zu dumm ein Loch in den Schnee zu pissen. Wenn „der Ultra“ zum größten Feindbild avanciert, dann muss man sich mal ernsthafte Gedanken um die eigenen Werte machen. Aber jeder blamiert sich so gut er kann.
Nehmen wir aber mal den Kommentar bei mir im Blog doch mal ernst und diskutieren „ernsthaft über Ultras“. Ich lasse mich also mal darauf ein und schau was am Ende rauskommt. Damit sind wir schon beim Problem, denn über Ultras zu reden ist genauso ein großes Feld wie über Fans zu reden und führt unweigerlich zu der Frage: Welche denn bitte? Denn Ultras sind schließlich keine homogene Masse sondern eben extrem unterschiedlich. Worüber wollen wir da also reden? Vielleicht reden wir einfach über mich. Gut, ich rede eh gerne über mich, wie man weiß, aber da ich das in letzter Zeit irgendwie auch weniger getan habe, sei mir diese Einlassung doch gestattet.
Seit ich wieder organisiert zum Fußball fahre – einige Jahre davor war ich ja Einzelfahrer und bin auch deutlich weniger im Stadion gewesen – hat sich mein Bild über Ultras deutlich geändert. Bzw. vielleicht hat es sich gar nicht geändert, es ist nur einfach mit Fakten unterfüttert worden und weniger naiv. Ich musste auf jeden Fall sehr schmunzeln als ich gerade einen Blogpost von vor gut zwei Jahren über Ultras gelesen habe. Gut zu sehen, dass man sich mit 41 immer noch stark verändert in zwei Jahren.
Um jetzt aktuell zu beschreiben, wie mein Verhältnis zur Ultra-Szene ist, müsste ich eigentlich ein Buch schreiben, denn das in einen Blogpost zu fassen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ich versuche es trotzdem einfach mal reißbretthaft zu skizzieren und komme zu dem Ergebnis, dass sich in vielen Punkten das Ergebnis meiner Meinung gar nicht so sehr geändert hat, aber mein Blick sich trotzdem geändert hat. Was mich sehr stark anspricht ist der hohe Organisationsgrad der Bewegung. Das ist für jemand, der dazu neigt alles systemisch zu denken und zu verprofessionalisieren natürlich höchst spannend. Und die Neigung Fußball zu verpolitisieren ist mir ebenso vertraut wie sympathisch. Ich war schon immer ein politischer Mensch und finde es wichtig, sich als politisches Subjekt zu begreifen. Mit Ausnahme der Fanzineschreiber gibt es leider keine weitere Bewegung im Stadion die Fußball die ernsthaft versucht Einfluss zu nehmen. Was natürlich eben dazu führt, dass die nach wie vor in der Summe kleine Gruppe der Ultras eine sehr große Wirkung auf die Außendarstellung der Kurve wahrnimmt. Da beschweren sich nun einige Nicht-Ultras drüber, aber auf der anderen Seite hindert die ja niemand sich auch zu organisieren. Wobei das auch zu kurz greift, weil wenn man Fußball nur als Freizeit sieht zieht man gegenüber den Leuten für die das mehr ist immer den kürzeren. Und ja, auch mir gehen nach wie vor 18-jährige Jung-Ultras, die die Nase so hoch tragen, dass man Angst hätte, dass sie auf die Fresse fallen, weil sie ihre Füße nicht sehen, wenn man sich nicht heimlich wünschen würde, dass sie genau dies tun, auch auf den Sack. Aber erstens gibt es nun wirklich jede Menge andere Vertreter der Bewegung und zweitens ist man doch bescheuert, wenn man von 18-jährigen einen rationalen Umgang mit vielen Dingen erwartet. Man soll nicht so tun als wäre man selber früher der tollste Typ der Welt gewesen.
Insgesamt stehe ich dem Ultra-Gedanken aber eben doch deutlich positiver Gegenüber als früher und bin auch emotional deutlich näher dran, auch wenn ich wie gesagt über das Feld ziemlich lange schreiben und diskutieren könnte und auch ohne Ende Kritik habe. Ich könnte stundenlang über den Support diskutieren, der meiner Meinung nach in vielen Punkten nicht zielführend ist, ich könnte mich über das sinnlose Zocken von Fahnen aufregen und ich könnte beschreiben wie schade ich es finde, dass die Ultras es nicht schaffen die Nicht-Ultras im Stadion mitzunehmen, weil man in den entscheidenden Punkte dann doch gerne unter sich bleibt. Das ist der Punkt, den ich inzwischen am kritischsten sehe, dass sich die Ultra-Bewegung – in Summe und vereinfacht gesprochen - nicht als „primus inter pares“ wahrnimmt, sondern als letztlich doch eigene Welt. Was die Einflussmöglichkeit dann eben doch deutlich reduziert. Wenn man die Kurve mitnehmen würde, wäre man ein deutlich entscheidendere Faktor als man es eh schon ist. Wobei ich es noch trauriger finde, dass die Fanabteilung es nicht schafft diese Welten mal zusammenzubringen. Denn genau für diesen Dialog und das Brückenbauen wäre die FA prädestiniert. Doch leider gibt es da keinerlei Ansätze.
Diese Blogpost ist nun schon recht lang geworden und je länger er wird umso unzufriedener werde ich damit. Denn ich reiße ein Thema nach dem anderen an und schaffe es nicht mal im Ansatz es zufriedenstellend zu Ende zu bringen. Kommen wir also zum Ende und zu der für mich wahrscheinlich wichtigsten Erkenntnis und Veränderung: Ich fühle ich mich der Bewegung inzwischen - soll ich nun "dramtischerweise schreiben? - emotional verbunden. Meine Gedanken und die Art Fußball zu leben treffen sich in vielen Punkten mit der vieler Ultras. Wenn es um Fußball geht bin ich ein stockkonservativer Knochen. Ich fühle mich in Gesprächen mit ultraorientierten Leuten da deutlich mehr zu Hause als mit den meisten anderen Fans. Mir geht da tierisch viel auf den Sack, aber von der Grundstruktur trifft das meine Art Fußball zu verstehen eben viel mehr als bei anderen Stadiongängern, auch wenn ich eben nun mal kein Ultra bin. So unzufrieden ich mit diesem Blogpost bin, so gut war doch mal für die Reflektion. Ich bin ultra ohne Ultra zu sein.
Auch wenn ich mich in diesem Zwischenraum gerade mal sehr einsam fühle.
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