Sonntag, 10. Januar 2010

Ich bin nicht Redelings

Das Leben ist eine Sau. Und zwar eine ganz schön fette. Da ist mal Winterpause und ich muss nicht zu einem Fußballspiel irgendwo in der Republik fahren, und dann feiern meine Eltern ihre Goldene Hochzeit ausgerechnet an diesem Wochenende nach, so dass ich doch von Hamburg nach Witten fahren musste. Was aber immer noch besser ist als eine Heirat an einem Spieltag. Wobei ich da nicht hingehen würde. So wie Budi, dem ich auf seine Einladung zur Hochzeit antwortete: Ich würde gerne kommen, aber der Spieltag sei noch nicht terminiert. Die tollste Frau von Welt wo gibt war ob der Aussage empört, aber Budi hatte Verständnis. Klassisches Männer/Frauen-Ding.

Allerdings hat so eine Tour auch Vorteile: Erstens habe ich den Bildband „Fußballtempel“ von meinen Eltern nachträglich zum Geburtstag bekommen und zweitens kam ich endlich mal zum lesen. Denn ich habe inzwischen doch so einiges an Fußballliteratur zu Hause versammelt, die ungelesen vor sich gammelt, weil ich einfach nicht dazu komme, die auch mal zu lesen. Was unterschiedliche Gründe hat. Zu Hause lese ich einfach nicht, weil ich so ein elender ADS Kandidat bin und mich auf wenig konzentrieren kann, weswegen ich bevorzugt in irgendwelchen Foren abhänge. Wie wohl jeder weiß, der mal das Schwatzgelb-Forum studiert hat. Zum lesen gedruckter Erzeugnisse komme ich eigentlich nur bei Fußballfahrten bei denen ich alleine und mit dem ICE unterwegs bin. Das Problem dabei: Auf der Hinfahrt muss man ja erst mal den Kicker lesen und auf der Rückfahrt liest man gar nichts mehr, weil man ja a) Bücher nicht ins Stadion bekommen würde und b) auch meistens viel zu voll ist, um sich auf Buchstaben zu konzentrieren. Deswegen kaufe ich auch mehr Bücher als dass ich sie lese. Sieht ja wenigstens dann so aus als würde ich mich mit dem Thema befassen und ich erhalte mir die Illusion ich wäre was mein Konsumverhalten angeht ein normaler Mensch.

Ab und zu komme ich dann aber doch auf einer Reise zu Lesen, weil ich keinen Alkohol trinken kann. Es käme ja z.B. irgendwie dumm zur goldenen Hochzeit seiner Eltern schon besoffen zu erscheinen. Also war dieses Wochenende eines meine Bücher fällig und die Wahl fiel auf Ben Redelings „Fußball ist nicht das wichtigste im Leben - es ist das einzige“ Die Entscheidung für das Buch viel mir recht einfach, denn es hat ein deutlich handlicheres Format als die Premiumausgabe von „100 Jahre Borussia Dortmund“, das als Reiseliteratur denkbar ungeeignet ist. Außerdem habe ich von Redelings zwei Bücher im Schrank, so dass ich der Meinung war, eines könne man davon ja nun auch mal wirklich lesen. Ich hätte die Wahl deutlich schlechter treffen können, denn das Buch hat mich doch sehr gut unterhalten und mir so einige „Ach, der also auch“-Momente beschert.

Ich bekomme gar nicht so selten von Leuten zu hören „Ich habe oft das Gefühl, dass Du mich beschreibst“- Sogar von Leuten aus der Medienbranche Ich weiß immer nicht genau, wie ich damit umgehen soll, aber es ist natürlich sehr schön so was zu lesen bzw. zu hören. Beim Konsum von Redelings Buch ging es mir aber mehr als einmal genauso. Denn genau wie ich ist Redelings Medienschaffender - was bei mir immer eine Grundsympathie bei gleichzeitiger Abneigung auslöst - wobei er aber im Gegensatz zu mir, aber scheinbar von seiner Fußballleidenschaft leben. Wobei ich nicht weiß, ob ich ihn dafür beneiden oder bemitleiden soll. Will man sein Hobby zum Beruf machen? Auf jeden Fall erkenne ich mich in seinem Texten gut wieder, was deutlich für den Autor und gegen mich spricht. Natürlich auch in den Erlebnissen im Stadion – das wird wohl jeder Fußball-Fan nachvollziehen können – viel mehr aber noch in der irgendwie "schratigen" Art des Autors. Diese leicht dissoziale Komponente des Schreibers, die man doch in jedem Kapitel gut herauslesen kann und dieses latente am realen Leben doch manchmal etwas verzweifelnde kommen mir doch mehr als nur ein wenig bekannt vor. Und natürlich die Vorliebe von Redelings für Bier. Wer wenn nicht ich könnte sich darin wiederfinden? Ich hatte die ganze Fahrt über so unfassbare Lust auf ein Bier. Ich lese wirklich gerne über Exzesse. Es wäre schon sinnlos mit der Sauferei aufzuhören, weil ich dann nicht mehr drüber schreiben könnte. Suff ist einfach ein geiles Thema. Bukowski hat es schließlich weit gebracht damit. Auf jeden Fall habe ich jetzt das Gefühl, dass ich nicht der einzige Suffkopp mit Fußballleidenschaft bin, der über seinen Wahnsinn schreibt. Auch wenn Redelings – ich habe mich entschieden: ich bin neidisch – mit seiner Leidenschaft Geld verdient. Dass ich den Autor vom Bild her unfassbar unsympathisch finde macht ihn mir noch mal vertrauter. Denn nett bin ich schließlich auch wirklich nicht.

Mit einem kann ich mich aber nicht identifizieren: Mit Ben Redings Verein, dem VfL Bochum. Falls Sie nicht aus dem Pott kommen oder gar überhaupt nicht an Fußball interessiert sind. Fan des VfL Bochums wird man überhaupt eigentlich nur, wenn man aus Bochum kommt und irgendwie nicht das Glück hatte ein paar Verwandte zu haben, die einen vor diesem Unglück bewahren. Wobei es ein paar versprengte Gestalten auch z.B. in Witten gibt. Warum auch immer man sich für den VfL entscheidet. Wer Fan der Bochumer Mannschaft ist, weiß aber wenigstens einen sicher: Er muss sich nie über einen in der letzten Minute vergebene Meisterschaft ärgern, denn sein Club wird niemals auch nur den Hauch eine Chance auf selbige haben. Die einzige Chance für VfL Anhänger die Schale mal zu sehen wäre, wenn der FC Bayern am 34. Spieltag gegen Bochum spielt. Ich stehe den Fans der Bochumer oder ähnlich grauer Mäuse wie Bielfeld immer recht bewundernd gegenüber. Denn die Jungs und Mädels geben genauso viel wie wir ohne jemals wirklich was abstauben zu können. Deshalb versuchen die Bochumer z.B. das Spiel gegen uns zu einem Mega-Derby hoch zu stilisieren. Was aber nicht klappt, weil einen großes Derby halt einen Gegner auf Augenhöhe braucht. Trotzdem bin ich aber natürlich froh, dass Redelings Fan des VfL ist, denn so komme ich dazu seine Texte auch lesen zu können. Wäre der Autor Fan des Vereins aus der hässlichsten Stadt der Welt würde ich sie schließlich nicht lesen können, ohne parallel über dem Klo zu hängen.

Wer Redelings noch nicht kennt, dem kann ich zumindest „Fußball ist nicht das wichtigste im Leben – es ist das einzige“ wärmstens an Herz legen. Einen Click bei Amazon sollte es wert sein. Also kaufen!

Sein Buch „Dem Fußball sein Zuhause - Pöhlen, Pils und Pokale entlang der B1“ habe ich auch zu Hause. Ich freue mich darauf das zu lesen.

Spätestens, wenn mich der nächste zu einen offiziellen Veranstaltung einlädt.

7 Kommentare:

  1. Nachträglich die besten Glückwünsche zum Geburtstag!

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  2. Also Marc. Dem Fußball sein zuhause ist genauso gut und wenn du gerade dabei bist..

    Goosen. Weil Samstag ist...leider auch nen Bochumer aber genauso klasse.

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  3. gerryfourfingers21. Januar 2010 um 21:21

    Ich kenne das Phänomen der gekauften und ungelesenen Bücher. Allein ein kurzer Blick auf das Bücherregal verrät mir, dass da noch "Fever Pitch" Originalausgabe, "Ist doch ein geiler Verein" und "Football against the enemy" auf mich warten.
    Wenn du weiterhin gerne Bücher kaufen möchtest für die zwar dein Interesse geweckt wird, die du aber unter Garantie nie vollständig lesen wirst, dann sei dir Redlings´"Der Ball ist eine Kugel" ans Herz gelegt.

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  4. Ich habe gerade "Dem Fußball seine Heimat" von ihm angefangen und finde es eher mau bisher

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  5. "Dem Fußball sein Zuhause" ist eben etwas mehr auf Geschichten rund um den Rvierfußball ausgelegt, da bleiben die Sauftouren von Redelings und Co leider außen vor.

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  6. Vielleicht finde ich es deshalb auch etwas banal. Ich bin damit groß geworden und das ist für mich einfach normal

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