Mittwoch, 27. Januar 2010

Verbalmilitanz my ass

Wir hatten gestern Stammtisch bei den Sailors und in dem Zusammenhang auch ein paar Diskussionen über diverse Themen. Dabei wird dann meist heftig gestritten und am Ende schütteln alle den Kopf über den anderen. Ich mag so was. Harmonie ist zwar kuschelig, für die Entwicklung einer Gruppe aber tödlich. Wenn Du dich weiterentwickeln willst musst Du auch Konflikte haben, sonst bleibst du stehen bzw. der Druck bleibt im Kessel und fliegt Dir irgendwann um die Ohren. Ab gesehen davon bringt es Dich auch als Mensch weiter, wenn Du Dich mal reflektierst.

Obwohl das eigentlich gar nichts Thema war, ist mir im Laufe der Diskussion etwas aufgefallen, was mich aktuell an Teilen der Fanszene sehr stört. Nämlich eine monströs vor sich hergetragene Verbalmilitanz mancher Leute, die – ich würde es mal so nennen: - ultra beeinflusst sind. Um es noch mal vorab klar zu machen. Ich habe nichts gegen Ultras. Im Gegenteil. Die sind als im Moment dominierende Fangruppe ein sehr spannendes Phänomen. Und auch wenn ich bestimmt nicht alles was irgendeine Ultra-Gruppierung irgendwann man verlautbaren lässt, kritiklos übernehme, muss man schon konstatieren, dass es ohne Ultras in deutschen Stadien öde wäre. Aber es gehört eben auch zur Wahrheit, dass sich Teile der Szene in eine deutlich militantere Richtung entwickeln. Ich will das hier gar nicht alles aufschlüsseln, denn dazu fehlt mir erstens die Zeit und zweitens auch die Fachkompetenz. Ich bin nicht tief genug in Strukturen drin, um da eine qualifizierte Meinung zu abzugeben oder habe im Thema recherciert. Mir ist das Thema auch so lange egal, wie sich gleichgesinnte finden. Das gab es schon immer und wird es immer geben. Da habe ich auch kein Problem mit. Das ist nicht mein Hobby, aber wer es mag… Schwierig wird es nur, wenn z.B. ein paar Gelsenkirchener Vollidioten beim Derby durch die Züge ziehen und normale Fans unter Gewaltandrohung ihre Klamotten zocken. Das nennt sich juristisch glaube ich räuberische Erpressung und ist schlicht und ergreifend eine Straftat.

Und jetzt kommen wir zu meinem Problem. Da die Ultras im Moment die maßgebliche Bewegung sind, haben sie natürlich auch starken Einfluss auf den Rest der Fanbewegung. Was den Einfluss auf den Kleidungsstil angeht ist mir das relativ schnurz. Denn auch wenn ich da manches eher albern finde: Es ist komplett egal wie ein 40-jähriger den Kleidungsstil eines 20-jährigen findet. Im Gegenteil wäre es sogar sehr komisch, wenn ich die dieselben Sachen tragen würden. Ich sähe mit Flexcap, Windbreaker, Jogger und Bauchtäschchen halt komisch aus. Und jede Generation hat das Recht albern auszusehen.

Was mich aber deutlich stört ist die Verbalmilitanz die teilweise von Leuten an den Tag gelegt wird. Das freut man sich dann, dass die Blauen aus der Stadt geprügelt werden sollen, wenn Sachen gezockt werden und überbietet sich gegenseitig an schrecklichen Storys zum Thema „Polizeigewalt“. Um das klar zu machen: Es gibt Gewalt von Polizei gegen Fangruppen - auch ohne konkreten Anlass. Und diese muss aufgeklärt, verfolgt und abgestellt werden. Ich finde es nur befremdlich, wenn ich das Gefühle habe, dass die eher dazu benutzt wird sich in einer Opferrolle darzustellen, anstatt da wirklich was aufzuarbeiten. Und wenn man so tut, als wäre man selber ein Lamm. Wobei ich auch hier natürlich sagen muss: Ein Fehlverhalten von Fanseite rechtfertigt kein missbräuchliches einsetzen von Gewalt seitens der Bullen. Wir sind nicht im wilden Westen und es liegt in der Natur der Sache, dass Cops oft mit Leuten zu tun haben, die gegen Regeln verstoßen. Wer damit nicht klar kommt muss sich einen anderen Beruf suchen. Aber wie gesagt: Auf der anderen Seite geht mir dieses verbale rummilitarisieren voll auf die Nerven. Man kann auch mal einen kritischen Blick auf sich selbst werfen. Das hat noch niemandem geschadet. Und inzwischen schwappt dieses Fight-Talking aber auch in Kreise von Leuten über, die das zwar chic finden so zu reden, aber im Konfliktfall einen langen Schuh machen. Ich will nicht, dass sich das als selbstverständlicher Teil der Fußball-Kultur festsetzt.

Nein, Fußball ist nicht nur ein Spiel, aber nein, Fußball ist auch kein Bürgerkrieg.

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