Ich werde Morgen mit Teilen meiner neuen Bezugsgruppe oder schlicht und ergreifend "The Dudes" an der Demo zum Erhalt der Fankultur teilnehmen. Ich war seit ca. 15 Jahren nicht mehr auf einer Demo. Vor allem nicht auf einer die hoffentlich friedlich verläuft. In den guten alten Zeiten war ich ja „herumreisender Berufsdemostrant“ und quer durch Europa – immer mit der Sturmhaube im Gepäck – unterwegs. Das war im Nachhinein zwar ganz lustig, aber auch inhaltlich doch ziemlich hohl. Durch die Welt zu reisen, um sich zu ärgern, wenn es KEINEN Stress mit der Polizei gibt ist irgendwie unter erwachsenen Kriterien gesehen nicht so schlau. Aber ich war Anfang 20, hasserfüllt und wollte die Welt verändern.
Aber die Zeiten sind vorbei und das ist auch gut so. Nach dem Ende meiner "Karriere" als Linksextremist habe ich zwar nach wie vor ein extrem großes Interesse an Politik, allerdings stehe ich doch ziemlich fest auf dem Boden der Verfassung. So im Nachhinein betrachtet ist es wohl auch ganz gut alles in Frage zu stellen, um dann festzustellen wie gut das ist, was man hat. Das Voltaire zugeschriebene Zitat "Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen." halte ich für einen der wichtigsten Kernsätze unsere Zusammenlebens.
Das Ausdrucksmittel „Demonstration“ ist aber an sich aus meinem persönlichen Instrumentarium verschwunden, weil ich es auch für heutige Auseinandersetzungen bedingt geeignet halte. Ich halte eine gute Kampagne im Internet und die gezielte Ansprache von Politikern für deutlich zielführender. Demos sind irgendwie ein Instrumentarium aus der Offline-Welt. Und wer mich und meine Internet-Sucht kennt, weiß, dass ich alle schon beim Gedanken an „offline“ Schweißausbrüche bekomme.
Das ich an der Demo trotzdem teilnehmen will hat verschiedenen Gründe. Erstens finde ich es wichtig, dass sich die "Fanszene" - was auch immer das genau sein mag - als Teilnehmer am politischen Prozess begreift. Wer so stark unter Druck steht wie Fußball-Fans, der muss versuchen seine Rechte politisch wahrzunehmen und am Meinungsbildungsprozess teilzuhaben. Wer das nicht tut, kann nicht ernsthaft erwarten, dass sich etwas verbessert. Zu einem politischen Prozess gehört aber auch die Reflektion der eigenen Vorgehensweise und das Durchleuchten der eigenen Fehler. Ich finde es daher gut, wenn es Stellungnahmen wie die vom Block 1900 oder von den Jubos gibt. Wobei ich finde, dass die Jubos zur meiner Meinung nach perfekten Ableitung kommen.
Es kann nun der Eindruck entstehen, wir würden der FanDemo kritisch gegenüberstehen, was grundsätzlich nicht der Fall ist!Wir sehen die Demonstration als Möglichkeit eines Neuanfangs, um die Fankultur wieder zu ihren ursprünglichen Idealen zurückzuführen und die "Spirale der Gewalt" aufzuhalten.
Wenn die Demo dazu führt, dass sich die Fußball-Fans – ich will hier gar keine Reduzierung auf Ultras vornehmen – Gedanken drüber machen, dass es unglaubwürdig ist sich über Polizeirepressionen zu beschweren, wenn man auf der anderen Seite gewalttätig wird, dann wäre das ein Anfang. Wer als Fußball-Fan ernst genommen werden will, der muss auch Pflichten fordern, nicht nur Rechte. Und dazu gehört ein ordentlicher Umgang mit seinen Mitmenschen. Ich persönlich finde auch Gewalt unter den Ultra-Gruppen nicht zielführend, aber das ist dann nicht meine Baustelle. Wer sich auf die Mappe hauen will, der soll das tun. Er soll aber bitte mich oder andere Unbeteiligte in Ruhe lassen und seinen Stress so ausleben, dass er der Polizei keine Rechtfertigung für Maßnahmen liefert, die die Freiheit aller Fußball-Fans einschränkt. Ich will nur wirklich keinen Sport, wo alle Parteien nur noch Händchen haltend miteinander umgehen, aber wer Fußball mit dem Bürgerkrieg im Libanon verwechselt, sollte mal sein Koordinatensystem dringend überprüfen.
Trotzdem gehört für mich Solidarität unter Fans auch dazu und natürlich gibt es genug Aktionen von staatlicher Seite die nicht zu rechtfertigen sind. Daher ist eine Demo wie die morgige in Berlin gerechtfertigt und ich finde es schade, dass z.B. der Block 1900 sich davon verabschiedet hat. Aber diese Demo hat eben nur ihre Berechtigung, wenn sie begleitend einen ehrlichen Diskussionsprozess auslöst und man auch mit der Aufarbeitung eigener Fehler beginnt. Ansonsten ist das eine Feigenblatt-Aktion. Der Diskussionsprozess hat ja scheinbar bei einigen Gruppen begonnen. Leider erst viel zu kurz vor der Demo, aber besser als gar nicht. Ich werde mir morgen einfach mal selbst eine Meinung bilden, wie ernst es den Teilnehmern mit der Aktion ist.
Allerdings bin ich der Meinung, dass man einen solchen Prozess lieber kritisch-solidarisch begleiten sollte als die Teilnahme zu verweigern, weil man nicht mit allen Verhaltensmustern übereinstimmt.
guter blog! genau meine Meinung!
AntwortenLöschenbis morgen
http://tribuna-unida.de/wordpress/?p=348
AntwortenLöschen