Montag, 7. Dezember 2009

Der Fan soll zahlen und die Schnauze halten

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine Schuld biblischen Ausmaßes mit mir rum trage. Es muss so sein. Es kann gar nicht anders sein. Denn alles war mir Spaß macht wird irgendwann zum Feindbild der Medien. Nachdem wir die „Killerspiel“-Debatte zum Glück einigermaßen überstanden haben, sind aktuell nun Fans auf dem Radar der alarmierten Öffentlichkeit aufgetaucht. Und vor denen muss die deutsche Sportjournalisten-Zunft die Gesellschaft schützen.

Überall hört man nur noch von „so genannten Fans“, „Chaoten“ und „schwarz vermummten“. Nun gibt es durchaus ja Situationen, wo man da fast nicht gegen argumentieren kann. Die Helden, die sich beim A-Jugend-Derby eine Auseinandersetzung geliefert haben, kann man durchaus mal fragen, wie viel diese Aktion noch mit Fußball zu tun haben. Und auch über die permanente Abzocke von Banner und ähnlichem kann man streiten. Und natürlich sind auch diejenigen Blauen, die beim letzten Derby durch die Bahn zogen und normale Fußball-Fans ihrer Trikots raubten nichts anderes als dummer Arschlöcher. Interessanterweise hört man in den klassischen Medien aber über diese Vorfälle fast gar nichts.

Dafür wird dann zu anderen Gelegenheiten die Trommel geschwungen gegen den „so genannten Fan“. Und zwar immer, wenn die dem Establishment auf die Pelle rücken. Als aktuelle Beispiele möge da unser Auftritt in Hoppenheim dienen oder ganz frisch die Vorgänge in Stuttgart. Ich bin gerade krank und hab mir zum Frühstück eine „Welt kompakt“ gegönnt. Inkl. eines Kommentars eines Oskar Beck mit dem schönen Titel „Warnung vor der Macht des Mobs“, der in leicht varierter Form auch online zu finden ist Textbeispiel gefällig? „Die Wahrscheinlichkeit beim Fußball von einem Hooligan erschlagen zu werden wird täglich größer“ (…) „Im Krisenfall rotten sich quer durch die Liga wilde Horden (…) zusammen,“ wütet Beck weiter, „klettern unter dem Absingen wüster Hasstiraden auf die Barrikaden, blockieren den Fluchtweg des Mannschaftsbussen und singen ihr einfallloses ´Wir ham die Schnauze voll´. Wir auch“

Ich verzichte jetzt mal drauf das skandalisierende „vom Hooligan erschlagen“ einzugehen oder den Ausdruck „Fluchtweg des Mannschaftsbusses“ zu analysieren. Und auch die Wertung „einfallslos“ ist bei Fußballschlachtgesängen ja immer ein treffendes Kriterium. Und auch wenn es Herrn Beck leid tut: Im Fußballstadion wird nicht Goethe rezitiert. Viel interessanter als dieser spießbürgerliche Verbalradikalismus von Oskar Beck ist der Blick auf sein Verständnis eines Fans. Dieser hat seiner Meinung nach Stimmung zu machen, die Kurve für den Sky-Zuschauer optisch schön herzurichten und ansonsten bitte die Schnauze zu halten. Er kann zwar jedes Wochenende sein Geld ausgeben und durch die Republik fahren, seine Freizeit für Choreos und andere Fanarbeit opfern, aber bitte schön immer alles im Rahmen. Keine negativen Gefühle. Immer recht freundlich die Kulisse für Disneyland bilden. Und plötzlich besteht die Stuttgarter Fanszene nur noch aus Verbrechern. Dass die über Wochen treu zu Babbel standen wird da nicht erwähnt. Die machen jetzt Krawall, also sind das „Chaoten“.

Nein, Herr Beck, was Leute wie Sie nie verstehen werden ist der Umstand, dass uns an unserem Verein was liegt. Die Spieler gehen im Fall des Abstieges halt zu einem anderen Verein und verdienen da ihr Geld. Wir Fans haben aber nur unsere Club. Und wir gehen mit ihm überall hin. Und deswegen ist es unser gutes Recht sich für dessen Belange einzusetzen. Auch und gerade, wenn das der Vereinsführung nicht passt. Man kann sich über einzelne Mittel immer streiten, aber Fans haben eben nur in der Masse die Chance gehört zu werden. Und es ist auch unser gutes Recht den Fußball wie wir ihn lieben vor Leuten wie Dietmar Hopp zu verteidigen. Es spricht nicht für Ihren Intellekt, dass sie das nicht erkennen.

Wie Sie, Herr Oskar Beck sich den idealen Fan vorstellt kann man dann am Ende des Artikels bewundern. „Der US-Fan ist pflegeleicht. Selbst im Frust überwiegt seine Lust angesichts der wippenden Cheerleader, die mit dem Hintern wackeln“

Da will mir also ein Lustgreis, der sich an Cheerleader aufgeilt, was über Fankultur erzählen. Auch interessant

4 Kommentare:

  1. Doppelt hält besser, war aber auch zweimal lesenswert. ;-)

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  2. Überragend, vielen Dank und Grüße von einem mitleidenden Stuttgarter.

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  3. Danke für diesen Kommentar. Er spricht mit genauso intensiv aus der Seele wie mit beim Lesen des Beck-Pamphlets die Fassungslosigkeit ins Gesicht stieg. Hoffentlich findet sich jemand der ihn Herrn Beck persönlich vorliest. Dass so einer für die Stuttgarter Zeitung schreibt ist peinlich genug, aber spricht leider Gottes für sich.

    Grüße aus Stuttgart
    J.S.

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  4. Einer der wenigen Artikeln, die man zu den besagten Geschehnissen gerne ließt. Und so wahr. Danke!

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