Samstag, 6. Juni 2009

Kevin Prince Boateng und die nicht gehobene Fahne

Ich frag mich wie oft Kevin-Prince Boateng wohl schon Nachts aufgewacht ist und daran gedacht hat, dass das 3:2 des HSV in Frankfurt Abseits war. Es ist schon dramatisch, was solche Fehlentscheidungen einzelner Menschen auslösen. Kein Vorwurf an den Linienrichter, niemand trifft bewusst so eine Entscheidung. Und jeder BVB Fan ärgert sich natürlich extrem darüber, aber für KP hat das vielleicht dramatische Folgen für sein gesamtes Leben. Denn ohne die Qualifikation zur Europa League war klar, dass der BVB kein Geld haben würde KPB weiter zu verpflichten.

Vielleicht mal vorweg: Ich mag den Typen. Weil er sich vom stromlinienförmigen Design des modernen Fußballers unterscheidet, die schon mit 17 in Interviewtrainings lernen sich nur in Floskeln zu äußern. Ich habe ein Herz für Typen. Und ich finde es gut, wenn man aneckt. Die meisten Fußballer die wirklich groß waren, waren unbequem und nicht gerade Schwiegermutters Liebling. Wäre Effenberg so ein großer Fußballer geworden, wenn er nett gewesen wäre? Oder Kahn so ein großer Torwart? Wer auf dem Platz etwas erreichen und führen will muss mit einem großen Ego ausgestattet sein und Ecken und Kanten haben. Und natürlich müssen solche Typen im Lauf der Jahre etwas geglättet werden. Dramatisch wird es eben nur, wenn Du nichts zum glätten has, weil sich an dir nicht mal der Wind verfängt.

Die Spießerfraktion zieht sich natürlich an Bildern wie diesem hoch. Und damit das klar ist: Wer sich mit einem Vorschlag-Hammer fotografieren lässt, der zerkratz auch nächtens Autos. Wer braucht schon unabhängige Ermittlungen? Marcel Reif hat schon recht: Wer so auftritt, den kann man auch auf dem Platz als „nicht sozialisierbar“ beschimpfen. Wen interessiert es da schon, was Richter Reif vom Stapel lässt, wenn er denkt das Mikro wäre aus? Hauptsache drauf. Die BILD freut sich.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Natürlich hat Boateng in seinem Leben viel falsch gemacht. Er ist auf dem Platz teilweise extrem ungestüm hingegangen und die rote Karte in Wolfsburg war so was von verdient. Und natürlich provoziert er auch teilweise bewusst. Die Vorschlaghammerbilder spielen natürlich mit Vorurteilen der Leute und das wird er auch gewusst haben. Aber ich versteh ihn. Der war damals glaube ich 19 und dachte es geht nur nach oben. Ich kenne das von mir in klein. Meinen ersten Redaktionsleiterposten hatte ich mit 29. Damals leitete ich eine Abteilung von 30 Leuten, verdiente unfassbar viel Kohle und hatte einen BMW als Dienstwagen. Ich habe mich für den Größten gehalten. Bis ich arbeitslos wurde. Ich weiß wie ich gewesen wäre, wenn ich vor zigtausend Leuten im Stadion gespielt hätte und dazu noch Millionär wäre: Einfach unerträglich. Mein Umfeld bedankt sich bis heute bei meinen mangelnden motorischen Fähigkeiten, die verhinderten, dass ich Fußballer wurde. Der Aufschlag war damals hart für mich und ich kann mir gut vorstellen wie sich KPB fühlt. Nachdem Du denkst es geht immer nach oben bist Du plötzlich abgemeldet. Und merkst, was wirklich zählt. Ich finde es übrigens ebenfalls sehr positiv, dass er sich jetzt in Interviews sehr offen äußert und sagt wie schlecht es ihm geht.

Natürlich mag jetzt der eine oder andere anführen, dass man mit jemandem der Millionär ist kein Mitleid haben muss. Aber ist das nicht eine sehr einseitige Sicht der Dinge? Geld ist wirklich nicht alles im Leben. Und ich denke, dass KPB sehr viel dafür geben würde bei seiner Frau und seinem Kind in Dortmund zu leben statt nun wieder zurück nach England zu müssen. Ich hätte so gerne gesehen wie sich der Typ unter Klopp entwickelt.

Warum kann der Arsch in Frankfurt seine blöde Fahne nicht einfach heben?

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